Dienstag, 1. Oktober 2013

Wales IV

Heute bin ich traurig, einfach nur traurig. Da bisher nichts gegen das bohrende Loch in meiner Brust geholfen hat, versuche ich es mit Bildern und Texten. Ein Teil meiner Texte beschäftigt sich zur Ablenkung mit dem Wales-Urlaub, weshalb ich ihn mit euch teilen möchte. 


Ich sitze auf der weichen Ledercouch, ein gutes Buch auf dem Bauch und blicke für einen Moment von den einladenden Zeilen auf. Neben mir sitzt mein Bruder und hört Musik, vor mir prasselt ein Feuer im Kamin und links von mir sitzen meine Eltern, die sich über irgendetwas in Papas Laptop köstlich amüsieren. Wahrscheinlich sortieren sie gerade die Fotos von heute. Leonie kommt frisch geduscht die Treppe herunter und kuschelt sich mit ihrem Gameboy vor den Kamin und mein anderer Bruder spielt auf dem Boden Schach gegen sich selbst.
Ich halte einen Moment inne und wünsche mir, dass dieser Moment ewig dauern kann. Momente wie diese sind gefüllt mit Harmonie und Wärme, ich freue mich besonders für meine Eltern, die hart dafür gearbeitet haben, dass dieser Urlaub möglich wird. Sie brauchen die Erholung wahrscheinlich am meisten, wobei auch ich merke, wie gut mir der viele Schlaf, die frische Luft und die Sorglosigkeit tun.
Auf meiner Speicherkarte haben sich bereits Berge von Fotos angesammelt, die ich alle irgendwann sortieren und bearbeiten möchte. Irgendwie beschleicht mich aber das Gefühl, dass diese Bilder den drei Wochen nicht gerecht werden können, da sie so viel nicht einfangen, wie Beispielsweise das Schafblöken im Hintergrund, den Wind, der einem permanent durch die Haare fährt und sowieso jede Frisur innerhalb von Minuten zerstört. Oder den Geschmack von labbrigen, ungesalzenen Pommes ohne Ketchup im Mund, das alles gehört ja schließlich dazu zu so einem Urlaub…


Besonders beliebt im gesamten vereinigten Königreich ist das Crabbing. Es scheint sich um eine Art Volkssport zu handeln, vielleicht sogar um eine nie hinterfragte Tradition. Wenn man jedenfalls während der Flut an den Hafen irgendeiner Ortschaft kommt, reihen sich dort die krebsbegeisterten Einheimischen an den Mauern ein, die es sich in den nächsten Stunden zur Aufgabe machen werden, ihren bereits mit Salzwasser gefüllten Eimer mit so vielen Krebsen vollzumachen, wie möglich. Dazu braucht man nichts weiter, als ein paar furchtbar stinkende Fisch- oder Schweinereste, die man in ein Netz packt, das man mittels eines Gewichts im brackigen Hafenwasser versenkt. Mit ein wenig Glück und Geduld kann man dann Minuten später mehrere Krebse zusammen mit dem Netz aus dem Wasser ziehen, die es auf den „leckeren“ Köder abgesehen haben.
Wer sich geschickt anstellt, kann die kratzigen Tiere in seinen Eimer befördern, ohne sich einen gehörigen Kniff von einer wütenden Schere einzufangen.
Anfangs war ich dem gegenüber etwas skeptisch, aber da ich dieses Spektakel in Wales bereits kannte, nutze ich die Gelegenheit, um mich selbst daran zu versuchen.
Crabbing buckets und Crab-Baits werden in jedem Souveniershop für wenig Geld verkauft und sobald man sich zusätzlich mit einem Netz ausgestattet hat, kann der Spaß beginnen.
Leonie und ich stießen gleich anfangs auf das Problem: Wie füllt man den Eimer mit Wasser? Das Teil schwimmt doch auf der Oberfläche? Also haben wir kurzerhand unseren Nachbarcrabber um Hilfe gebeten (No problem, everyone was a beginner once!), der uns gleich einige Tipps gegeben hat. Ein verstohlener Blick in seinen Eimer verriet mir, dass er das wohl nicht das erste Mal macht.
Während wie also unsere erste Ladung Fleisch im Wasser versenkten, kamen wir mit unserem Nachbarn in ein sehr interessantes Gespräch, das sich primär um den walisischen Sprachgebrauch im Vergleich zum Bairischen handelte. Ich liebe sowas ja! Er hat uns unter anderem erzählt, dass Walisisch seine Muttersprache ist und er einige Zeit im Ort Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch gearbeitet hat und seine Hauptaufgabe daraus bestand, den Touristen das Wort wieder und wieder vorzusagen (es handelt sich dabei um einen walisischen Satz). Irgendwann war ihm das zu langweilig, weshalb er ganz gerne Beleidigungen in den Satz miteingebaut hat, was von den Touristen niemand gemerkt hat, ihm allerdings den Rausschmiss bedeutete, als sein Chef davon Wind bekam. 

Als wir unter schallendem Gelächter unser Krabennetz hochzogen, war die Aufregung auf einmal groß: Gleich vier Stück waren hängengeblieben und mit etwas Geschick hatten wir unsere ersten Krebse im Eimer. Mit der Zeit füllte sich dieser auch schnell, wir haben wohl einen guten Tag erwischt. Anfangs haben mir die Tiere irgendwie leid getan, als ich dann aber gemerkt habe, wie verbissen ein Krebs an dem Fleischstück hing, an das er sich gekrallt hatte, sich dann mit einer Schere einen Fetzen abriss, ihn sich in den Mund stopfte und sich dann von alleine in dein Eimer fallen ließ, kam ich zu dem Schluss, dass diese Viecher das wohl als ihren Lebensunterhalt ansehen mussten. Ein Glück für sie, dass sie nach Angabe unseres Nachbarn nach Diesel schmeckten, an sonsten hätte er sie nämlich gegessen. Wir jedenfalls haben am Ende des Tages zwei mal dreißig Krebse zurück in das Hafenwasser gekippt. Ich war erstaunt, wie sehr einen diese Tätigkeit befriedigen konnte, aber je mehr zappelnde Schalentiere man aus dem Wasser fischt, desto zufriedener wird man irgendwie. Und süß sind sie auch, das mal so nebenbei, aber wenn man sie in der Hand hält, als wäre sie eine Höhle, falten sie ihre vielen Beine zusammen und blubbern zufrieden vor sich hin.



Crabbing wird sich zwar nicht zu meiner Lieblingsbeschäftigung mausern (wie sollte es auch, hier in Bayern… wobei, vielleicht klappt das auch mit Flusskrebsen?), aber eines hat mir unglaublich gut gefallen: Diese gelöste Stimmung an den Piers. Niemand interessiert sich dort dafür, was du heute für Klamotten trägst, ob du dich geschminkt hast, ob du ein paar Gramm zu viel oder zu wenig auf die Waage bringst… es ist ein leben und leben lassen, man wird so lange in Ruhe gelassen, bis sich ein Gespräch ergibt und auch dieses ist angenehm unverfänglich.
So eine zerstreuende und sorglose Atmosphäre und Beschäftigung könnte ich jetzt sehr gut brauchen.

Teil I, Teil II, Teil III, Teil V

4 Kommentare:

  1. Svenja (:
    Ich bekomme einfach nicht genug von deinen Texten, jedes Mal versinke ich wieder von neuem darin und fühle mich am Ende, als wäre ich viel zu früh aus einem schönen Traum aufgewacht.
    Ich bin mir sicher, dass du nicht nur mich damit so berührst und hoffe, dass du heute einen besseren Tag hast. (:

    Liebe Grüße,

    Laura <3

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    1. Ach danke, so liebe Worte wie immer <33

      Ja, zum Glück!! :3

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